Stehlen, Umverteilung, Betrug

Entre nous, Daniel Zahno!

Daniel, wo hast Du Dein neues Buch geschrieben?
«Mama Mafia» habe ich in einem kleinen, dunklen, charmanten Apartment an der Einundvierzigsten Strasse unweit der Grand Central Station in New York geschrieben und in einer weiten, hellen Altbauwohnung im Kannenfeldquartier in Basel – also in einem kleinen Raum in einer grossen Stadt und in einem grossen Raum in einer kleinen Stadt. Beide Gebäude stammen aus den Zwanzigerjahren, haben Holzböden und eine hohe Decke, und man spürt, dass sie schon fast ein Jahrhundert erlebt haben.

Worum geht es, Deiner Meinung nach, in Deinem Buch?
«Fass nie den Schwanz eines Leoparden an! Aber wenn du ihn einmal gefasst hast, lass ihn nicht mehr los!» Dieses afrikanische Sprichwort umschreibt das Thema des Buches ganz gut. Es geht um den Überlebenskampf des Rockmusikers Harvy, der einen Pakt mit dem Teufel schließt, denn Tony Tangeroli, der oberste New Yorker Mafiaboss, will Harvys Band, die Raccoons, gross herausbringen und fädelt aus Liebe zu seiner Braut Jennifer, die ein grosser Fan der Raccoons ist, einen Plattenvertrag mit Sony ein – nicht ahnend, dass Jennifer bereits ein Verhältnis mit Harvy begonnen hat. Für Harvy, den Umverteilungsaktivisten mit den ethisch hohen Standards, beginnt ein lebensgefährlicher Hochseilakt im Dunstkreis der Mafia. Im Fokus stehen also Stehlen, Umverteilung, Betrug, aber auch die Liebe und die Kunst des Überlebens in schwierigen Zeiten.

Welche Themen, Geschichten, Diskurse interessieren Dich zurzeit grundsätzlich?
Das Thema der Ungleichheit und der Umverteilung treibt mich um. Die Verführbarkeit der Menschen interessiert mich, und was Macht mit Menschen macht. Natürlich blicke ich auf das, was in Amerika gerade passiert, mit Sorge – plötzlich erfährt die Bedeutung von Lüge, Clan, Ehre und Geld eine erschreckend neue Dimension. Womöglich gehen wir ganz düsteren Zeiten entgegen. Das Ganze verleiht meinem Buch eine unerwartete und verstörende Aktualität.

Sind diese Themen für Dich neu oder eher ein Leitmotiv in Deiner Arbeit?
Das sind Themen, die mich schon immer stark beschäftigt haben, nur im Schreiben noch wenig zum Ausdruck gekommen sind.

Mit welchen Gefühlen schaust Du auf die Niederschrift zurück?
Mit guten. Ich hatte nie mehr Spaß beim Schreiben als bei «Mama Mafia». Ich konnte das spielerische Element, das ich liebe, wunderbar einbringen. Konnte voll in die Groteske und Übertreibung rein, die Dinge zuspitzen, überspitzen, und dennoch bleibt die Geschichte glaubwürdig. Es war erfrischend und befreiend, so zu schreiben, mit diesem Schuss Frechheit, und ich hoffe, dieses Frische, Freie und Freche spüre man auch beim Lesen.

Hegst Du bestimmte thematische Erwartungen an die Rezeption des Buchs?
Es ist immer schön, wenn einem ein Rezensent oder eine Rezensentin etwas aufzeigen, was man selber noch nicht wusste, wenn man über das eigene Buch und vielleicht auch über sich selbst etwas dazu lernt. Aber wahrscheinlich ist es am besten, keine Erwartungen zu haben, sondern einfach offen zu sein für das, was kommt.

Wie würdest Du es einordnen in die Reihe Deiner Bücher?
«Mama Mafia» ist mein erstes Buch im Kriminalbereich, darum ist es sehr speziell. Um die Liebe ging es schon in «Die Geliebte des Gelatiere», und das Groteske findet sich auch in «Alle lieben Alexia». Die Mischung aus Groteske und Suspense ist aber völlig neu. Die Spannung während den gesamten 250 Seiten hochzuhalten und die Dinge immer weiter zuzuspitzen, war dramaturgisch eine Herausforderung. Gerade hat mir jemand geschrieben, er habe die ersten 150 Seiten wie im Rausch gelesen und freue sich auf jede weitere Seite. Falls es anderen auch so geht, wäre es nicht nur für mich mein speziellstes Buch.

Daniel Zahno, «Mama Mafia», Roman,
Schöffling & Co., Frankfurt/Main 2017, geb., 248 Seiten.

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