Körpersprache, Lebensweg

Entre nous, Isolde Schaad!

Isolde, wo hast Du Dein neues Buch geschrieben?
«Giacometti hinkt» schrieb ich in meinem Schreibzimmer oberhalb des Römerhofs. Die Geistesblitze dazu habe ich allerdings an meinem Lieblingsort eingefangen, das ist der Rundblick durchs Fenster aus dem Belcafé am Bellevue. Der beste Platz für Verhaltensforschung.

Worum geht es, Deiner Meinung nach, in Deinem Buch?
Um die Gangarten der Zeitgenossin, des Zeitgenossen, im weitesten Sinne: wie wir im Leben stehen, wie wir den sogenannten Lebensweg gehen, reicht über die Körpersprache hinaus, das hat mich schon immer interessiert.

Welche Themen, Geschichten, Diskurse interessieren Dich zurzeit grundsätzlich?
Die Migration ist natürlich das «Anathema», aber vor allem der politische Umgang damit. Schockierend. Und als Feministin hat mich natürlich der Frauenstreik weit über den Tag hinaus in Atem gehalten.

Sind diese Themen für Dich neu oder eher ein Leitmotiv in Deiner Arbeit?
Mein erstes Buch, «Knowhow am Kilimandscharo», erschien 1984 und ist eine Verhaltensstudie über Schweizer Entwicklungshelfer in Ostafrika, der ethnologische Blick hat mich ein Berufsleben lang gefordert, mit dem Schwerpunkt Geschlechterfrage.

Mit welchen Gefühlen schaust Du auf die Niederschrift zurück?
Wie immer hätte ich manches kürzen wollen, in der Distanz ist man souveräner, aber insgesamt schaue ich mit einem Gefühl auf das übrigens schön gestaltete Buch, das ich selbstkritische Genugtuung nennen könnte. Mein Schreiben ist aufs Alter hin einfacher geworden, weniger ambitiös, das gefällt mir.

Hegst Du bestimmte thematische Erwartungen an die Rezeption des Buchs?
Dass sie den Stoff und die Sprache beherzigt, analysiert, einordnet, an der Autorinnenshow, wie sie heute zunehmend stattfindet, bin ich nicht interessiert, allein schon aus Eitelkeit. Ich werde bald 75 und bin an der Selbstdarstellung nicht interessiert, das war ich allerdings auch in meinen jungen Jahren nicht. Ich bin erstaunt, wie ausführlich und anerkennend die Rezensionen diesmal sind. Das ist schon eine Erleichterung, wenn man noch die Zeiten der «Scharfrichter» wie Reich-Ranicki erlebt hat.

Wie würdest Du es einordnen in die Reihe Deiner Bücher?
Es ist das spontanste, auch am leichtesten geschriebene meiner Bücher, es trägt anderseits den Kern der Melancholie in sich, denn «der letzte Gang» liegt ja auch vor mir ...


Isolde Schaad, «Giacometti hinkt. Fünf Wegstrecken, drei Zwischenhalte», Erzählungen, Limmat Verlag, Zürich 2019, 288 S.

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