Eigensucht
Entre nous, Evelina Jecker Lambreva!
Evelina, wo hast Du Dein neues Buch geschrieben?
Wie es bei allen meinen Büchern ist, an unterschiedlichen Orten: zu Hause in Holzhäusern, in einem Waldhotel im Schwarzwald, in unserem Ferienhäuschen im bulgarischen Balkangebirge, unterwegs im Zug von Luzern nach Zürich.
Worum geht es, Deiner Meinung nach, in Deinem Buch?
Es geht um ungelebtes Leben, um fremdbestimmtes Leben, um den Mut, sich selbst zu widersprechen, Vertrautes zu verlassen und neu zu beginnen, wenn man seinem Leben jenen Sinn geben möchte, der ein erfüllendes Dasein möglich macht. Diese Themen sind in grössere gesellschaftliche Themen eingebettet, zum Beispiel in das Thema der Leistungs- und Wegwerfgesellschaft, die in einem Dauer-(Vor-)Burnout-Zustand lebt und sich in unberechenbare Dimensionen hochschaukelt.
Welche Themen, Geschichten, Diskurse interessieren Dich zurzeit grundsätzlich?
Mich interessiert brennend das Thema der narzisstischen Gesellschaft und ihrer Weiterentwicklung, vor allem die Frage, ob diese selbstzentrierte und nur auf sich fokussierte Gesellschaft in der Lage sein wird, einen nächsten Weltkrieg abzuwenden. Mit diesem Thema verbunden sind auch die für mich sehr relevanten Fragen nach den aktuellen Werten und dem Wertewandel, der sich in unserer westlichen Konsumgesellschaft durchsetzt.
Sind diese Themen für Dich neu oder eher ein Leitmotiv in Deiner Arbeit?
Das sind Themen, die mich einerseits in meinem beruflichen Alltag als Psychiaterin seit Jahren ständig begleiten und beschäftigen, andererseits begegne ich ihnen immer wieder neu, je nachdem, in welche neue Erscheinungsform verkleidet sie vor mir auftreten.
Mit welchen Gefühlen schaust Du auf die Niederschrift zurück?
Mit dem Gefühl, endlich in literarischer Form einiges zum Ausdruck gebracht zu haben, das ich seit einigen Jahren mit mir herumtragen habe und nur in medizinischen Fachdiskussionen darlegen konnte.
Hegst Du bestimmte thematische Erwartungen an die Rezeption dieses Buchs?
Jedes Buch, das ich fertig geschrieben habe, ist für mich wie ein Kind, das ich losgelassen und in die Welt geschickt habe. Und immer bin ich neugierig, wie dieses Kind bei den Menschen ankommt. Auch jetzt bin ich sehr auf die Reaktionen gespannt. Konkrete Erwartungen habe ich aber nicht.
Evelina Jecker Lambreva, «Nicht mehr», Roman, Braumüller Literaturverlag, Wien 2016, Erscheint im Oktober 2016, geb., 280 Seiten.