Wald, Kalk, Kind
Entre nous, Laura Vogt!
Laura, wo hast Du Dein Buch geschrieben?
Die allerersten Zeilen meines Romans «Was uns betrifft» schrieb ich 2015 in meiner damaligen Wohnung in Biel. Ein Jahr später ging's dann weiter, in St. Gallen. Zuerst im Wohnzimmer, dann in der Bibliothek, schliesslich in meinem Atelier. Geschrieben habe ich aber auch immer wieder im Kopf – beim Gehen, beim Schwimmen – oder auch im Zug, in einer Jurte bei Bischofszell, auf Bänken im Wald, in Cafés in der Stadt.
Worum geht es, Deiner Meinung nach, in Deinem Buch?
Es geht ums Mutter-, Frau- und Künstlerin-Sein. Es geht um Rollenbilder, Beziehungen und Familie. Es geht um Räume, Gewohnheiten und Aufbruch. Um die Vergangenheit und ums Jetzt. Es geht letztlich darum, Dinge endlich zu benennen. Und es geht, ganz konkret, auch um Eier, um Eingemachtes, um den Wald und um Kalk.
Welche Themen, Geschichten, Diskurse interessieren Dich zurzeit grundsätzlich?
Mich interessiert – in Bezug auf «Was uns betrifft», aber auch in Bezug auf den neuen Text, an dem ich nun arbeite – die Frage nach dem Mensch-Sein. Konkret setze ich mich momentan mit den Ansätzen des Antinatalismus auseinander, einer philosophischen (und teilweise ökologischen) Bewegung, die besagt, dass es immer besser ist, wenn ein Mensch nicht geboren wird. Auch das Konzept der Monogamie stelle ich in meinem neuen Text in Frage. Darüber hinaus interessiert mich der Feminismus in all seinen Facetten. Gerade lese ich beispielsweise das Buch «Gefangene des Geschlechts?» aus dem Jahre 1988. Darin verhandelt die Autorin Anne Fausto-Sterling die Frage nach der Gültigkeit der biologischen Theorien über Mann und Frau, und dies auf eine sehr kritische Art und Weise. Daneben lese ich auch das neue Buch von Barbara Bleisch und Andrea Büchler mit dem Titel «Kinder wollen». Und ich lese und las Rachel Cusk, Maggie Nelson, Anke Stelling, Monika Helfer, Chris Kraus und viele andere. Lesen beflügelt meine eigenen Texte sehr.
Sind diese Themen für Dich neu oder eher ein Leitmotiv Deiner Arbeit?
Diese Themen sind wohl ein Leitmotiv meiner Arbeit, ja. Aus dem Einen folgt das Nächste. Die ungleiche Behandlung von Mädchen und Jungen beispielsweise hat mich schon als Primarschülerin beschäftigt. Daraus entstanden die Fragen nach dem Frau-Sein, nach den Machtverhältnissen, und diese Fragen sind wie ein roter Faden, der sich durch mein Leben zieht. Nach jedem Text, den ich schrieb, verstehe ich wieder etwas mehr von der Welt allgemein. Und erfahre dabei auch viel über mich selbst und mein direktes Umfeld.
Mit welchen Gefühlen schaust Du auf die Niederschrift zurück?
Mit sehr unterschiedlichen Gefühlen. Das Schreiben von «Was uns betrifft» war für mich ein wichtiger Prozess mit allen Höhen und Tiefen, die dazugehören. Ich arbeite ja immer sehr eng an den Figuren und bewege mich mit ihnen durch die Geschichte.
Mit dem eigentlichen Schreiben habe ich im Frühjahr 2016 begonnen, als mein erstes Kind zweieinhalb Monate alt war. Für mich war es existentiell, wieder zu schreiben, und viele Themen, die mich damals beschäftigten, über die ich viel las und über die ich mit Freundinnen und Freunden sprach, haben sich im Text niedergeschlagen. Vieles daran mag ich noch immer. Vieles würde ich heute anders machen. Und darum schreibe ich nun an meinem dritten Buch. Ich denke, das wird immer so sein: Wenn das Buch dann da und «fertig» ist, hat es auch immer etwas Abschliessendes für mich. Dann muss ich weiter, muss zum Nächsten.
Hegst Du bestimmte thematische Erwartungen an die Rezeption des Buches?
Ich bin erstaunt und auch erfreut, wie unterschiedlich die Rezeption des Buches ist. Durch die Corona-Krise kam ich leider noch nicht zu Lesungen, und der Austausch mit dem Publikum fehlt mir, aber die Besprechungen in der Presse waren interessant. Jede und jeder Rezensent*in hat andere Aspekte hervorgehoben, anderes im Buch gelesen. Das ist ja Literatur: Die Möglichkeit, sich mit einem Buch, einem Text, auseinanderzusetzen, und dadurch neu oder anders auf die Welt zu blicken. Kategorien wie «gut» oder «schlecht» finde ich sehr schwierig. Über jedes Buch kann schliesslich debattiert und gestritten werden.
Wie würdest Du es einordnen in die Reihe Deiner Texte?
Ich sehe «Was uns betrifft» als den zweiten von hoffentlich vielen Romanen.
Laura Vogt, «Was uns betrifft», Roman,
Zytglogge Verlag, Basel 2020, geb., 210 Seiten.